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 Computer, Technik, Naturwissenschaften
Nutella Offline



Beiträge: 175

04.01.2008 17:51
Randgruppen Antworten

"Aus einer Bulldogge kann man so schnell eben keinen Windhund machen", trompetet der Fernsehdoktor ganz unbefangen in die Landschaft. Das musste aber auch mal gesagt werden! Immer haben diese Leute in den Diätkliniken die unrealistischsten Vorstellungen! Da braucht man kein Blatt vor den Mund zu nehmen, und schon mal gar nicht im Fernsehen.
Solcherlei Gekrös gespenstert wohl in den Schädeln der Schönheitsdoktoren herum, die ihre faschistoide Wellnesspropaganda überzeugend unter das kuschelige Deckmäntelchen der Wohltätigkeit betten.

Seit ein, zwei Jahren ist Übergewicht eine Krankheit, oder besser: inzwischen, wie in den USA, schon eher eine Epidemie zu nennen. Und die Medien, die Pharmaindustrie, die Frauenzeitschriften führen sich auf wie die Hl. Drei Könige: sie wollen doch nur helfen! Damit wir so gerade nochmal drumherum kommen, um die Konsequenzen: Kurzatmigkeit, Gelenkverschleiß, Tod. Geschenke bringen sie auch gleich mit, ist ja logisch: die Low-Fat-Diät, den Ausdauersport und ein paar Topmodels, deren Anblick verursacht, dass man sich selber peinlich ist.
Die Mädchen und Jungen in den realitygesoapten Kliniken wissen schon ganz genau Bescheid - sie fürchten sich, daheim wieder 'rückfällig' zu werden, und zwar zu Recht, denn jeder weiß: dicke Kinder haben keine Freunde und mit dicken Jugendlichen will sowieso keiner Petting ausprobieren, das wäre ja pervers. 'Sex and the Dicki', wie die hirntote Moderatorin der unglaublichen großen-dicken-peinlichen-Verlobten-Show mal falsch und frei herumreimte, das ist aber auch nun wirklich nichts, ih. Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin, möchten die Jugendlichen gerne singen, und dafür nehmen sie so manches auf sich, zum Beispiel die idyllischen Vergleiche mit der domestizierten Tierwelt! Da muss man schon einiges abkönnen, mein lieber Herr Gesangsverein. Jeder gesund entwickelte Mensch in der unerfreulichen Lage der 'Bulldogge' wäre entweder emotional verwüstet zusammengebrochen, oder hätte, was mir sehr viel besser gefällt, den windigen Doktorhalunken umgehend verklagt. Oder niedergeschossen, je nachdem.

Doch die Verunglimpften sind zäh, weil man ja nur ihr Bestes will. Leider ist auch in diesem Fall das Beste hauptsächlich eines: Profit. Mit einer ausgewachsenen Kollektivneurose lässt sich super verdienen: wer dünn sein will, muss zahlen. Für Magazine, die Ausgabe um Ausgabe mit der effizientesten Diät werben, für Fitnessgeräte, Kurse und Cellulitecremes, für Slimfast, kaschierende Kleidung, Wunderpillen, Lightprodukte, Weightwatchers und Selbsthilferatgeber. Das wirtschaftliche Interesse am abergläubisch verteufelten Übergewicht ist groß, proportional dazu verhält es sich mit der Aufrechterhaltung utopischer Ideale.
Symptomatisch ist die Aggressivität gegen das selbstgestrickte Feindbild - dürfen Dicke eigentlich an den Strand? Nein, finden viele Talkshowkandidaten, dürfen sie nicht, weil: das ist unästhetisch, da wird einem schlecht von. Und dann sind die auch noch selber schuld! Alle faul und undiszipliniert!

Dem Lieblingszivilisationsgebrechen der westlichen Welt rückt man also, vordergründig betrachtet, engagiert zu Leibe, und dabei begnügt man sich nicht mit dem bisschen Psychoterror und ein paar Appetitzüglern, sondern greift auch gern auf Altbewährtes zurück. Mit akribischem Eifer und pseudowissenschaftlichen Phantasieinstrumenten wie etwa der sog. Fettzange misst der Spezialist dubiose Werte und lehnt sich damit gefährlich weit aus dem Fenster der Seriosität. Bloß - wo haben wir so was schon gesehen? Richtig! Auch im Fernsehen! Am Kopfe verwendet maßen vergleichbare Apparate einst die Rassenzugehörigkeit! Aber das ist ja mittlerweile ganz aus der Mode gekommen.

Aus der Mode gekommen sind auch Witze über Klumpfuß, Buckel und Blindheit. Darum sagt mein Augenarzt auch nicht zu mir: aus einem Maulwurf kann man eben kein Adlerauge machen, sondern drückt sich da insgesamt sehr viel höflicher aus.
Auch andere Randgruppen kommen heutzutage merklich besser weg als früher; Schwule, Türken oder Frauen, zum Beispiel. Das Dicke jedoch, das Dicke sticht dermaßen penetrant ins Auge, da gibt es kein Vertun, das provoziert einfach. Und wo man sich jetzt schon jeden harmlosen Polen- oder Rollstuhlfahrerwitz verkneifen muss - da tut so ein Freischein zum Diskriminieren doch ganz gut.

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